Probehandeln

Auf der Straße muss alles schnell gehen weil wir davon ausgehen müssen, dass uns der Gegner keine Bedenkzeit einräumen wird. Wir sind also zunächst die Reagierenden. Unser Ziel muss es deshalb sein, die Herrschaft über die Zeit zurückzugewinnen. Aber wir müssen auch darauf vorbereitet sein, dass uns das nicht gelingt und wir unbewusst und automatisch „das Richtige“ tun müssen.

Wenn wir Zeit haben, dann geben wir den sog. „Bauchentscheidungen Typ 2“ eine Chance. Sie liefern die besten Entscheidungen. Sie entstehen durch Interaktion zwischen Bewusstem und dem limbischen System im Unbewussten. Das Unbewusste liefert Vorentscheidungen und baut einen Erwartungshorizont im Belohnungssystem auf … unsere (bewusste) Ratio vollzieht das Probehandeln und liefert moralische Wertungen, … die dann dem Unbewussten zurückgegeben werden, damit der handlungsauslösende Impuls erfolgt (oder keine Handlung stattfindet).

Diese Fähigkeit des Probehandelns unterscheidet Mensch und Tier: Nur der Mensch kann handeln ohne zu handeln, indem er das Handeln wie auch dessen Konsequenzen intellektuell durchspielt. Erst mit dieser Fähigkeit ausgestattet können wir vom Menschen eine Verantwortlichkeit abverlangen, ohne sie wäre unser Handeln ein reiner Reiz-Reaktions-Mechanismus.

prisoners dillemma_2Nur wenn wir nicht spontan-affektiv reagieren müssen, kommt unsere Ratio zum Einsatz, die dann aus einem üppigen Repertoire an Werkzeugen schöpfen kann. Die Spieltheorie etwa liefert uns Sprache und Formalismen, um in einem nichtkooperativen 2-Parteien-Spiel gegnerische Entscheidungen vorauszuahnen und Gleichgewichtszustände wie beispielsweise das sog. Nash-Gleichgewicht auszumachen. In unseren Seminaren und Coachings simulieren wir spieltheoretisch vermeintliche und tatsächliche Dilemma-Situationen in Alltagsfällen, das sog. „Gefangenendilemma“ dient uns als Einstieg. Wir lernen, „gegnerische“ Handlungsoptionen vorauszuahnen, zu gewichten und mit unseren eigenen Optionen zu kreuzen.

Die Martial Arts liefern Antworten in Situationen ohne Zeitangebot: Es muss schnell gehen. Das setzt voraus, dass wir Situationen „vorweggeahnt“ haben, ein anderes Wort für „Training“! Training bedeutet, Handlungsverantwortung zeitlich vorzuverlegen, das Probehandeln also quasi auf Vorrat und als Handlungsmuster im Unbewussten abzulegen und dann im akuten Bedarfsfall automatisch zu nutzen.